Warum wir in Stresszeiten vergesslich werden

Viele kennen das: In belastenden Zeiten wird häufiger nach Schlüsseln gesucht, Termine vergessen oder verlieren mitten im Gespräch den Faden. Solche Momente können verunsichern, manchmal sogar Angst machen, etwa mit der Sorge, ob es ein Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung sein könnte.

In den meisten Fällen handelt es sich jedoch nicht um etwas Krankhaftes, sondern um eine ganz normale Reaktion des Gehirns auf Stress. Zu verstehen, wie das entsteht, kann bereits entlastend sein.

Was Stress im Körper auslösen kann

Wenn wir Stress erleben, reagiert der gesamte Organismus. Herzschlag und Atmung beschleunigen sich, Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet. Diese Reaktion macht uns kurzfristig wacher und leistungsbereiter, sie dient eigentlich dazu, uns auf Gefahrensituationen vorzubereiten.

Das hat aber auch eine Kehrseite: Das Gehirn verschiebt seine Prioritäten. Es legt den Fokus auf das, was in diesem Moment überlebenswichtig scheint, und blendet “Nebensächliches” aus.

Was im Gehirn passiert

Für die Gedächtnisbildung ist insbesondere der Hippocampus verantwortlich. Er hilft uns, neue Informationen zu speichern und später abzurufen. Unter starkem oder anhaltendem Stress wird dieser Bereich durch die Stresshormone in seiner Arbeit beeinträchtigt. Neue Informationen werden nicht so zuverlässig abgespeichert oder sie lassen sich in der Situation nicht abrufen.

Auch der präfrontale Cortex, der für Aufmerksamkeit, Planung und Konzentration wichtig ist, reagiert empfindlich auf Stress. Anstatt ruhig und geordnet zu denken, schaltet das Gehirn auf „Notbetrieb“.

Warum Vergesslichkeit unter Stress normal sein kann

Unter Belastung blendet das Gehirn scheinbar nebensächliche Dinge aus. So kann es passieren, dass man nicht mehr weiß, warum man einen Raum betreten hat, Namen entfallen oder alltägliche Routinen ins Stocken geraten.

Das bedeutet nicht, dass mit dem Gedächtnis „etwas nicht stimmt“. Es ist eine Anpassungsreaktion und sobald der Stress abnimmt, tauchen viele Erinnerungen auch wieder auf.

Wie sich Stress-Vergesslichkeit im Alltag zeigen kann

  • Dinge wie Schlüssel oder Handy werden häufiger verlegt.

  • Namen fallen im entscheidenden Moment nicht ein.

  • Der rote Faden in einem Gespräch geht verloren.

  • Aufgaben dauern länger, weil die Konzentration schwerer fällt.

Diese Beobachtungen machen vielen Menschen Sorgen; gleichzeitig sind sie in Stresszeiten weit verbreitet.

Was helfen kann

Vergesslichkeit lässt sich nicht einfach durch Anstrengung „wegdrücken“. Hilfreicher ist es, das eigene Nervensystem zu entlasten und zu beruhigen. Bewährte Möglichkeiten sind:

  1. Pausen zulassen: Atemübungen oder bewusstes Innehalten beruhigen das Nervensystem.

  2. 4-7-8-Atemübung: Diese einfache Atemtechnik kann helfen, Stress abzubauen und innere Ruhe herzustellen.

    Atme 4 Sekunden lang tief durch die Nase ein. Halte den Atem 7 Sekunden lang an. Atme dann 8 Sekunden lang langsam durch den Mund aus.

    Wiederhole die Übung viermal. Sie wirkt regulierend auf das Nervensystem, senkt die Anspannung und kann das Einschlafen erleichtern.

  3. Body Scan (nach Jon Kabat-Zinn, MBSR): Beim Body Scan wird die Aufmerksamkeit systematisch durch den ganzen Körper gelenkt, von den Füßen bis zum Kopf. Man spürt in jeden Bereich hinein, nimmt Empfindungen wahr, ohne sie zu bewerten, und bringt die Gedanken immer wieder sanft zurück zum Körper. Diese Übung fördert Ruhe, verbessert die Körperwahrnehmung und stärkt die Fähigkeit, im Moment zu bleiben.

  4. Strukturen nutzen: Feste Orte für Schlüssel oder Handy, To-Do-Listen, kleine Rituale.

  5. Eine Sache nach der anderen: Multitasking überlastet das Arbeitsgedächtnis.

  6. Bewegung in der Natur: Spaziergänge im Grünen senken nachweislich den Stresspegel.

  7. Schlaf ernst nehmen: Regelmäßiger, erholsamer Schlaf ist entscheidend, damit Erinnerungen stabil bleiben.

Wann es sinnvoll sein kann, genauer hinzusehen

Wenn Vergesslichkeit über längere Zeit deutlich zunimmt, wenn sie sich mit weiteren Auffälligkeiten verbindet, zum Beispiel starker Antriebslosigkeit, deutlichen Konzentrationsproblemen oder Orientierungsschwierigkeiten ist es wichtig, dies ärztlich oder psychotherapeutisch abklären zu lassen.

Fazit

Vergesslichkeit in Stresszeiten ist in vielen Fällen eine normale Reaktion des Gehirns auf Überlastung. Sie zeigt, dass Körper und Geist unter Druck stehen und Entlastung brauchen.

Mit Pausen, Achtsamkeit, Atemübungen, dem Body Scan, ausreichend Schlaf, Bewegung in der Natur und gegebenenfalls psychotherapeutischer Unterstützung lässt sich das Gedächtnis spürbar entlasten.

In meiner Praxis in Maisach im Landkreis Fürstenfeldbruck, ob im geschützten Raum oder draußen in den Ge(h)sprächen in der Natur© begleite ich Menschen dabei, Wege zu finden, mit Stress behutsamer umzugehen und wieder mehr Klarheit zu gewinnen.

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel ersetzt keine ärztliche Abklärung und soll nicht zur Selbstdiagnose verwendet werden. Wenn du dich in einigen Punkten wiedererkennst, wende dich bitte an eine ärztliche Fachperson oder an einen Therapeuten.

Wenn keine organischen oder hormonellen Ursachen vorliegen, kann es sinnvoll sein, die psychische Ebene in den Blick zu nehmen. Manchmal zeigt der Körper durch Vergesslichkeit, dass die Seele unter Druck steht. Eine psychotherapeutische Begleitung kann helfen, besser zu verstehen, was hinter den Symptomen steckt und neue Wege im Umgang mit Stress zu finden.

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