Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen: Kein Trend, sondern Realität
Wenn Rückzug, Schlafprobleme oder Essverhalten zum Warnsignal werden
Immer mehr Kinder und Jugendliche zeigen psychische Auffälligkeiten und doch wird häufig noch bagatellisiert, relativiert oder mit Aussagen wie „Das wächst sich aus“ abgetan. Doch wissenschaftlich fundierte Studien zeigen: Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind real, häufig und ernst zu nehmen. Sie beeinträchtigen nicht nur das aktuelle Wohlbefinden, sondern wirken oft weit in das Erwachsenenleben hinein – wenn sie unbehandelt bleiben.
Psychische Störungen beginnen oft früher, als viele denken
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) geht davon aus, dass etwa 50 % aller psychischen Erkrankungen vor dem 18. Lebensjahr beginnen. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren - eine Phase, in der sich die Persönlichkeit, das Selbstbild und die emotionale Reife noch in der Entwicklung befinden.
Im Landkreis Fürstenfeldbruck wie auch bundesweit beobachtet man eine deutliche Zunahme stationärer Aufnahmen in Kliniken aufgrund psychischer Diagnosen, besonders seit der Corona-Pandemie. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) war jede vierte stationäre Aufnahme von Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren im Jahr 2023 psychisch bedingt: mit Depressionen, Angst- und Essstörungen an der Spitze.
Welche psychischen Erkrankungen treten bei Kindern und Jugendlichen besonders häufig auf?
1. Angststörungen
Viele Kinder leiden still: Schulvermeidung, soziale Rückzugsverhalten oder körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen und Übelkeit sind typische Symptome. Angststörungen zählen zu den häufigsten Diagnosen im Kindesalter.
2. Depressionen
Immer mehr Jugendliche berichten von innerer Leere, Schlafproblemen, sozialem Rückzug oder Selbstzweifeln. Studien zeigen: Mindestens 10 % der Jugendlichen entwickeln eine depressive Episode vor dem 18. Lebensjahr.
3. Essstörungen
Laut der KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts zeigen 22 % der Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren ein auffälliges Essverhalten. Besonders betroffen sind Mädchen: In der Altersgruppe 14-17 Jahre liegt der Anteil bei über 33 %.
4. Zwangsstörungen
Zwangsgedanken oder -handlungen zeigen sich oft schon zwischen 10 und 13 Jahren. Etwa 1-3 % der Kinder und Jugendlichen sind im Verlauf betroffen: bei Jungen oft früher als bei Mädchen.
Warum Eltern oft zögern und was das mit Scham zu tun hat
In meiner Praxis in Maisach, im Raum Fürstenfeldbruck, München-West begegne ich immer wieder Eltern, die sagen:
- Das ist doch normal, das war bei mir früher auch so.
- Mein Kind ist nur etwas sensibler.
- Ich will nicht, dass mein Kind eine Diagnose bekommt.
Hinter solchen Aussagen steckt nicht selten Scham, Unsicherheit oder Angst vor gesellschaftlicher Stigmatisierung. Doch gerade Kinder brauchen eine Umgebung, in der ihre seelischen Nöte wahrgenommen und ernst genommen werden und nicht verharmlost. Eine frühe, feinfühlige und professionelle Begleitung kann verhindern, dass sich Symptome chronifizieren oder in gefährliche Strategien wie Selbstverletzung, Essstörungen oder Rückzug verstärken.
Was können Eltern tun? Erste Schritte
Wenn du als Mutter, Vater oder Bezugsperson bemerkst, dass sich dein Kind stark verändert, dauerhaft traurig wirkt, extrem ängstlich ist oder Essverhalten, Schlaf und Selbstwert aus dem Gleichgewicht geraten, dann darf das ernst genommen werden. Hier einige Anhaltspunkte:
Das Kind zieht sich sozial zurück.
Körperliche Beschwerden wie Bauchweh, Kopfweh oder Schlafprobleme nehmen zu.
Dein Kind sagt Sätze wie: „Ich bin nichts wert“ oder „Ich will nicht mehr leben“.
Der Leistungsabfall in der Schule ist deutlich.
In solchen Fällen ist es sinnvoll, sich an einen qualifizierten Kinder- und Jugendpsychotherapeut*in oder eine Praxis wie meine zu wenden, um eine differenzierte Einschätzung und gegebenenfalls Therapieempfehlung zu erhalten.
Fazit: Früher Blick - bessere Zukunft
Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind keine Phase. Sie sind ein Appell, hinzuschauen und zuzuhören. Mit liebevoller Aufmerksamkeit, professioneller Begleitung und dem Mut, sich auch unbequemen Wahrheiten zu stellen, kann aus dem Leidensdruck ein Weg entstehen: hin zu mehr Selbstwert, emotionaler Stabilität und innerer Stärke.